Schwerer BAföG für Kinder von Alleinerziehenden
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BAföG-Anträge von Studierenden, deren Eltern miteinander verheiratet sind, werden im Durchschnitt 2,36-mal schneller bearbeitet als Anträge von Studierenden, deren Eltern getrennt leben. Scheidungskinder sind also benachteiligt. Oberstufenschülerin Charlotta ahnt deshalb schon, was auf sie zukommt: Ihr Vater lebt im Ausland, aber die Behörden finden ihn nicht.
Charlotta (Name geändert) besucht derzeit die 12. Klasse des Beruflichen Gymnasiums. Im Jahr 2024 wird sie hoffentlich mit dem Abitur in der Tasche ins Berufsleben starten. Ob sie studieren oder eine Ausbildung machen will, weiß sie noch nicht. Aber wenn sie studiert, braucht sie finanzielle Unterstützung, denn sie lebt allein mit ihrer Mutter. Der Vater hat noch nie Unterhalt gezahlt und wird auch nicht helfen, ihr ein Studium zu ermöglichen.
Manchmal können auch die Behörden nichts tun… Charlottas Vater ist nach Japan gezogen, wo er für die deutschen Behörden nicht auffindbar ist.
Unter neuem Namen verheiratet und ohne aktuelle Adresse oder Handynummer ist ein Kontakt nicht möglich. Soweit Charlotta und ihre Mutter wissen, hat ihn auch das Jugendamt nicht gefunden. Dieses hätte gerne den Unterhaltsvorschuss (max. 338 €/Monat), den es 4 Jahre lang an Charlottas Mutter gezahlt hat, von ihm zurückgefordert. Leider ohne Erfolg, der Vater wurde nicht gefunden. Er selbst hätte für sie als 15- bis 17-Jährige 588 €/Monat Mindestunterhalt (bei niedrigstem Nettoeinkommen) zahlen müssen.
Auch Charlottas Mutter hätte gerne den Kindesunterhalt (KU) nach der Düsseldorfer Tabelle bekommen, der ihr eigentlich zusteht!
Vom ersten Lebensjahr bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung / des ersten Studiums wird Charlotta voraussichtlich 24 Jahre alt sein. Von diesen 24 Jahren hat das Jugendamt 4 Jahre ersatzweise KU gezahlt. Das bedeutet, dass die Mutter am Ende 20 Jahre mit ihrem Kind finanziell alleine war. 20 Jahre! Das sind, grob gerechnet und bei einem durchschnittlichen Kindesunterhalt von 500 €/Monat (6.000 EUR/Jahr) = 120.000 Euro für 20 Jahre, die er ihr schuldet. 120.000 Euro – minimal! Davon hätten sie viele Urlaube machen können … sehr viele.
Der Vater ist verschwunden. Wird Charlotta deswegen auch kein Bafög bekommen?
Seit 1971 ist BAföG für viele junge Menschen eine der wichtigsten Finanzierungen, um sich den Traum vom Studium ermöglichen zu können. Dafür ist das „Bundesausbildungs-Förderungsgesetz“ da. Es soll für Gleichberechtigung sorgen und Studierenden aus allen sozialen Schichten gleichermaßen eine akademische Laufbahn ermöglichen. Doch: das scheint, laut einer Presse-Info des Unternehmens meinBafög, nicht für alle zu gelten.
Schüler:innen in der Oberstufe oder an Berufsfachschulen würden auch BAföG erhalten, wenn eine Unterbringung außerhalb des Elternhauses notwendig wäre – aber: BAföG ist kein Ersatz für nicht geleisteten Kindesunterhalt. So oder so gilt:
Laut der Informationen des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) ist die Hälfte der BAföG-Förderung ein Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss. Die andere Hälfte wird als Darlehen gewährt – und zwar ganz ohne Zinsen. Die Rückzahlung erfolgt allerdings zu sehr günstigen Bedingungen; niemand soll sich Sorgen über Schulden machen müssen, heißt es im Flyer. Mehr als 10.010 € sind auf keinen Fall zurückzuzahlen. Sophies Vater schuldet ihr und ihrer Mutter mindestens 120.000 € …
Der private Antragsdienstleister für Studienförderungen sieht eine entscheidende Lücke, die heutzutage deutlich brisanter als noch im BAföG-Gründungsjahr vor über 50 Jahren sein dürfte: Es gibt eine systematische Bevorteilung von Studierenden, deren Eltern miteinander verheiratet sind. Die Geschäftsführer von meinBafög stützt sich dabei auf eine Auswertung von über 200.000 Datensätzen, die sie geschäfts-intern Ende 2022 vornahmen.
Nachdem mittlerweile jede dritte Ehe geschieden wird, dürfte das aktuell sehr viele junge Leute betreffen.
Der Grund: Bei der Beantragung von BAföG spielt auch das Einkommen der Eltern eine Rolle.
Zwar gibt es eine elternunabhängige Förderung (Quelle), bei der das elterliche Einkommen nicht berücksichtigt wird, etwa wenn der Aufenthaltsort der Eltern nicht bekannt ist oder sie im Ausland leben. Aber: Das müssen sie beweisen!
Haben Kinder und Eltern gar keinen Kontakt mehr zueinander, ist es für Studierende oft schwer bis unmöglich, die entsprechenden Informationen zusammenzutragen. Fehlender Kontakt oder die fehlende Kooperationsbereitschaft eines Elternteils, Auskunft über die private Einkommens- und Vermögenssituation zu geben, hindert Studierende oft daran, den BAföG-Antrag fertigzustellen oder bringt sie zeitlich in Bedrängnis.
„Viele Antragsteller:innen brechen den Vorgang sogar ab, wenn sie aufgrund der fehlenden Informationen nicht weiterkommen“, so Alexander Rodosek, einer der meinBafög-Geschäftsführer. Bis zu 7,31 mal mehr sogar im Vergleich zu den Antragsteller*innen, deren Eltern zusammenleben. Wie soll Sophie nachweisen, dass ihr Vater verschollen ist? Das Jugendamt darf ihr aus Datenschutzgründen keine Informationen über ihn geben.
Dabei steht und fällt oft das gesamte Studium mit genau diesem Antrag. „Die Bevor- bzw. die Benachteiligung ist systematisch“, so Alexander Rodosek, einer der Geschäftsführer von meinBafög. „Prozessuale Änderungen könnten helfen, um diese Ungleichheiten bei der Antragstellung zu beheben.“
Er fordert daher eine größere (digitale) Kooperation zwischen BAföG-Amt und den Finanzverwaltungen.
„Es muss einen besseren Abruf von relevanten Einkommensdaten über Schnittstellen zur Finanzverwaltung geben“, sagt er. „Die für die Berechnung notwendigen Einkommensdaten der Eltern könnten im Prinzip fast vollumfänglich von den BAföG-Ämtern bei den Finanzämtern abgerufen werden. Das würde vielen Studierenden aus einer wirklichen Notsituation helfen. Teilweise steht und fällt das ganze Studium mit dem BAföG.“
Ferner fordert Rodosek eine erleichterte Antragstellung bei Verletzung der Mitwirkungspflicht der Eltern.
„Für Eltern besteht eine Mitwirkungs- und Auskunftspflicht. Kommen sie der nicht nach, dauert die Antragstellung für die Studierenden deutlich länger. Durch eine Herabsetzung der Voraussetzungen könnte ihnen schneller BAföG gewährt werden.“
Rodosek hat ein Paper zu seiner Studie verfasst und zeichnet darin ausführlich Lösungsansätze. Mit den Ergebnissen will er nun die Behörden zum Gespräch einladen und mit ihnen in Dialog gehen.
U.a. mit Presse-Informationen von Sandra Eichner, PR-Manager Rosenheim Rocks
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