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Bürgergeld statt Hartz4 – was sich verändert

Nach Diskussionen und Streit um das Bürgergeld, wurde nun am 25.11.22 festgelegt, dass die Sozialreform zum 1. Januar 2023 in Kraft treten kann/soll. Das Bürgergeld, welches Hartz4 / ALG2 ablöst, soll mehr als die Erhöhung des Regelsatzes sein. Eckpunkte:

  • Es soll mehr gefördert, statt gefordert werden.
  • Der Regelbedarf wird erhöht; bei Erwachsenen um 53 €/Monat, mehr siehe Tabelle.
  • Das erste Bezugsjahr gilt als Schonzeit bezüglich Wohnungsgröße.
  • Der Wert von Autos wird zukünftig nicht mehr geprüft.
  • Privatvermögen bis 40.000 Euro ist geschützt.
  • Schüler:innen können in den Ferien unbegrenzt dazu verdienen.
  • Sanktionen kommen früher, aber dafür in geringerem Umfang.

Der neue Leitsatz des Bürgergeldes soll das Fördern statt Fordern sein, wie bisher  – das klingt ein wenig wie in der Schule … und soll über 5 Millionen Menschen dabei unterstützen, wieder in eine dauerhafte Berufstätigkeit zu kommen. Die Einführung der Sozialreform soll eine der Größten im Koalitionsvertrag der Ampelregierung sein. Vor 18 Jahren galt noch Hartz4 als DIE Lösung, jetzt das Bürgergeld. Dieses soll die Grundsicherung für Arbeitssuchende sein. Der Lebensbedarf von den Bedürftigen soll gewährleistet werden und jeder, der bisher schon Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, wird auch künftig Anspruch auf das Bürgergeld haben.

Neue Anträge müssen nicht gestellt werden! Die Umstellung erfolgt automatisch.

Bürgergeld-Bezieher haben nicht nur einen Anspruch auf den Regelsatz (womit sie Lebenshaltungskosten, Telefon, Strom, etc. bezahlen können), sondern auch auf Übernahme der Miete für eine angemessene Wohnung, mit Betriebs- und Heizkosten. Das erste Jahr gilt jetzt als Schonzeit; da können Leistungsbezieher in der bisherigen Wohnung oder Haus ohne Prüfung bleiben. Erst nach 1 Jahr müssen die Jobcenter darauf achten, dass die Größe einer Wohnung angemessen ist. 45 Quadratmeter für eine Person gelten als angemessen, 15 Quadratmeter mehr für jede weitere Person im Haushalt. Bei Wohneigentum werden größere Wohnflächen als bisher anerkannt und freigestellt.


Welche Änderungen gab es noch? Bedeutet das etwa auch, dass Eigenheimbesitzer jetzt nicht nur die Zinsen der Bank, sondern auch die Tilgung vom Jobcenter bekommen? Laut einem Sprecher vom BMAS sind die Regelungen zur Übernahme von Tilgungskosten für selbstbewohnte Immobilien nicht verändert worden. “Deshalb werden Tilgungskosten in der Regel weiterhin nicht übernommen, weil sie der Vermögensbildung dienen. Das gilt auch während der Karenzzeit im ersten Jahr des Bürgergeldbezuges.“

Quint-Essenz: Jeder Bürgergeld-Empfänger bekommt im 1. Jahr komplett seine Wohnung bezahlt, egal wie groß und teuer. Aber das gilt nicht für die rund 50% der deutschen Staatsbürger, welche im Eigenheim leben.

Diese müssen im Notfall bei ihrer finanzierenden Bank “die Hosen runterlassen”, Erspartes dafür verbrauchen oder hungern. Beispiel: Hatte beispielsweise eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern vor Beantragung von ALG2 / Bürgergeld eine 100 qm große Doppelhaushälfte gemietet; dies zur Kaltmiete von 960 Euro, dann bekommt sie diese zzgl. Nebenkosten (Heizung, etc.) zunächst für 1 Jahr vom Jobcenter bezahlt. Sie hat keinerlei Ersparnisse.

Hat die ebenfalls alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern in der Eigentums-Doppelhaushälfte daneben lediglich 650 Euro/Monat an Immobilien-Finanzierungskosten, bekommt sie davon nur die Zinsen (bsplw. 314 €), aber nicht die Tilgung (bsplw. 336 €). Da sie ebenfalls keine Ersparnisse hat, müsste sie nun entweder bei ihrer Bank darum bitten, die Tilgung auszusetzen oder vom Regelsatz die Tilgung zahlen, was bedeutet, dass sie dann kaum noch Geld für den Lebensunterhalt hätte. Von 502 € Regelsatz wären dann nur noch 166 € übrig, was kaum für Telefonanschluss und Stromrechnung reicht, geschweige denn für Lebensmittel, etc.

Ist das soziale Gerechtigkeit?


Infrage kommt das Bürgergeld auch für Menschen, deren Arbeitseinkommen nicht zum Lebensunterhalt reicht. Aber insbesondere Rentner kommen in Zukunft dennoch zu kurz, denn für deren Grundsicherung gelten andere Maßstäbe! Das Bürgergeld wird übrigens im Normalfall für einen Zeitraum von 6 Monaten bis zu einem Jahr bewilligt. Danach muss ein Folgeantrag gestellt werden. Weitere Änderungen:

Bezieher können jetzt deutlich mehr Erspartes haben: In den ersten 12 Monaten ist privates Vermögen in einer Höhe bis zu 40.000 Euro geschützt. Für jede weitere Person in einer Bedarfsgemeinschaft kommen 15.000 Euro hinzu. Weiterhin sollen Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung gestärkt sowie Ausbildungszeiten gekürzt werden.


Der Wert von Autos wird zukünftig nicht mehr geprüft – das ist insbesondere für Ukrainer:innen ein großer Vorteil, denn viele sind in einem großen, teuren Auto geflüchtet (Wert über 6.000 Euro), was sie eigentlich hätten verkaufen müssen, um Hartz4 / ALG2 zu bekommen.

Außerdem werden die Freibeträge beim Zuverdienst erhöht: von 20 auf 30 % (100 €/ Monat dürfen sowieso abzugsfrei dazuverdient werden). Freibeträge für Einkommen von Schülern, Studenten und Auszubildenden werden auf 520 Euro erhöht. In den Ferien können Schülerinnen und Schüler unbegrenzt hinzu verdienen!

Das Fördern statt Fordern erfolgt auch durch Änderungen bei Sanktionen – ab Januar sollen diese vom ersten Tag an möglich sein! Wenn Bezieher etwa eine zumutbare Stelle nicht antreten, können Leistungen direkt beim ersten Mal um 10% gekürzt werden, bei einer weiteren Pflichtverletzung um 20%, bei nochmaligem Verstoß um 30%. Im Vergleich zu Hartz4 / ALG2 fallen die Kürzungen damit aber deutlich schwächer aus, kommen aber früher.

Jobcenter sollen sich ab Juni 2023 stärker darum kümmern, dass die Bezieher in dauerhafte Arbeit, statt in kurzfristige Hilfsjobs kommen. Denn tatsächlich gibt es viel zu viele Langzeitarbeitslose (rund 1 Million, siehe Statista), die aus ihrer Spirale heraus geholt werden sollen.

Während die SPD sich feiert, wegen dem Ende von Hartz4, lobt sich die Union dafür, dass es ein „Update“ von Hartz4 gibt. Gegenteilige Aussagen? Also wird sich am Ende doch nicht viel verändern oder die Wirkung minimal sein? Auf jeden Fall sind sich einige Menschen sicher, dass sich Arbeiten nicht mehr lohnt …


Viele weitere Informationen siehe BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales)

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