Vorab eine Triggerwarnung: dieser Artikel spricht über sensible Themen.

Die Jugendpsychiatrie – ein Ort des Grauens oder für lang ersehnte Hilfe? Es gibt Tages- und Fachkliniken sowie geschlossene Psychiatrien. Wer weiß schon, wie es dort ist? Gibt es viele Regeln, kein Handy, keinen Körperkontakt, Einzelzimmer und Videoüberwachung? Wie ist es wirklich, in einer Klinik zu sein?

Wir wollten mal von echten Erfahrungen hören und haben ein Interview mit der 16-jährigen Gara aus NRW gemacht. Sie ist mit Reinfeldern befreundet. Gara war in einer Tages- und einer Entzugsklinik und besuchte zudem einige Zeit eine geschlossene Psychiatrie. Mit so jungen Jahren hat sie schon viel durchgemacht …

Wie kommt ein Patient in eine Klinik? Muss er sich dafür anmelden?

Wenn man bei einem Therapeuten oder ähnlichen ist, bekommt man eine Überweisung für eine Klinik, wenn der Therapeut dies für nötig hält. Die Überweisung gibt man dann in der “Wunsch”-Klinik ab und bespricht mit einem verantwortlichen Therapeuten, ob die Klinik geeignet ist.

Als Erstes warst du in der TAGESklinik. Wie lange warst du da, und wie war der Alltag dort?

Ich war drei Monate da, jeden Wochentag gab es einen anderen Ablauf. Montags habe ich mit den anderen Jugendlichen zusammen Sport gemacht. Dienstag war Ausflugtag. Da waren wir zum Beispiel mal im Kletterpark. Da sind wir mit dem Fahrrad hingefahren, haben Etwas gegessen und sind natürlich auch zurückgefahren! Mittwoch hatten wir Gruppentherapie. Donnerstags waren wir gemeinsam einkaufen und Freitags wurde gekocht!

Hattest du in der Zeit Schule? Wenn ja, wie wurde das geregelt?

Nein, ich hatte keine Schule. Für die Zeit wurde ich freigestellt, leider habe ich dadurch viel Unterricht verpasst.

Hat dir die Tagesklinik etwas gebracht?

JA! Mit anderen etwas zu unternehmen und abgelenkt zu sein, tat mir gut.


Zimmer für die Jugendlichen gibt es in der Tagesklinik nicht. Dafür aber viele Gruppen- und Einzeltherapie-Räume. Die Jugendlichen kommen morgens da hin, verbringen den Tag dort bei verschiedenen therapeutischen Angeboten. Abends, am Wochenende und an Feiertagen sind sie Zuhause. Wichtige Bezugspersonen kommen manchmal zu Besprechungen mit.


Wie war es in der geschlossenen Klinik? Wie lange warst du da?

Mein längster Aufenthalt war 2 Wochen lang. Um 7 Uhr mussten wir Aufstehen, bis 8 Uhr geduscht sein und die Betten gemacht haben. Danach gab es Ergotherapie, Schule, Kunsttherapie und so. Montags war Visite, da wurde besprochen, wie es dem Patienten geht, und ob ein Behandlungsende in Sicht ist.

Stimmen die Gerüchte, dass es dort Kameras gibt?

Nein. Zumindest dort wo ich war, gab es keine. Wir hatten durchaus unsere Privatsphäre.

Hat dir der Aufenthalt dort etwas gebracht?

Als ich da war, ging es mir besser. Aber wenn ich dann entlassen wurde, wurde es wieder schlimmer.


Die geschlossene Klinik ist für Jugendliche mit tiefen psychischen Problemen, bei denen eine “normale” Therapie nicht reicht. Insbesondere dann, wenn der Patient nicht mehr garantieren kann, sich nicht das Leben zu nehmen. Die Jugendlichen bleiben dort Tag und Nacht und bekommen eine intensive Betreuung.


Wie kam es dazu, dass du in eine Suchtklinik gekommen bist?

Ich wollte von der geschlossenen Klinik in eine andere Klinik wechseln und hatte sogar schon eine gefunden. Dann jedoch erwähnte ich beim letzten Gespräch in der alten Klinik, dass ich Drogen nehme. Deshalb konnte ich nicht mehr in die Klinik bleiben. Darüber habe mich mich gefreut, weil ich da ja eh raus wollte. Ich kam dann auf die Warteliste einer Suchtklinik – nach einer Woche war ich schon drin!

Wie lange warst du da? Und wie war der Alltag dort?

Um 7 Uhr musste ich Aufstehen, um 8 gab es Frühstück. Danach durften alle zusammen eine rauchen gehen. Freizeit, Rauchen. Mittagessen, Medikamente, Rauchen.  Film schauen. Abendessen, Rauchen. Um 22 Uhr mussten alle ins Bett. Nach fünf Tagen habe ich das abgebrochen!

Rauchen ist doch voll ungesund … Ihr durftet das?

Ja. Das konnten unsere Eltern entscheiden. Da wir ja schon auf Entzug von “harten” Drogen waren, wollten die uns nicht auch noch das Rauchen nehmen … Monatlich haben unsere Eltern Geld in die Klinik gebracht, wovon die Zigaretten finanziert wurden. Die Marke konnten wir uns nicht aussuchen.

Wie fühlt sich ein Entzug an?

Schrecklich. Man kriegt Tabletten (wenn die Eltern die Erlaubnis geben), die einen beruhigen. Bei mir war es so, dass ich mir einen Tag BEVOR ich eingewiesen wurde, was “geschmissen” habe. Wenn man sich was schmeißt, trocknet der Körper aus, heißt, man muss genug trinken, was ich aber nicht gemacht habe. Mein Kreislauf ist komplett zusammengebrochen, ich bin fast umgekippt, weswegen ich auch nur in meinem Bett lag. Die Betreuer meinten dann, ich soll was trinken, sonst muss ich auf die Intensivstation. Ich habe versucht, mehr zu trinken und dann ging es auch.

Hat der Aufenthalt etwas gebracht?

Mir hat der nichts gebracht, deshalb habe ja nach 5 Tagen abgebrochen.

So schnell abgebrochen? Warum das?

Ich fühlte mich einfach unwohl dort und hatte 4 Wochen lang Kontaktsperre angeordnet bekommen. Mir wurde mein Handy und jeder Kontakt zur Außenwelt genommmen. Nur Briefe durfte ich schreiben. Nicht zu wissen, was meine Familie und Freunde machen und wie es ihnen geht, hat mir nicht gut getan.


Entzugskliniken tun, was der Name schon sagt. Sie helfen beim Entzug. Dabei werden radikal  alle Suchtmittel entfernt und verboten. So soll von dem Mittel abgelenkt und die Sucht bewältigt werden. Gehen können die Patienten, wann sie wollen. Zurück kann man dann aber schwer!


Wieso warst du in all diesen Kliniken?

In der Tagesklinik war ich, weil meine Therapeutin das für richtig erachtet hat. Sie hat bei den Gesprächen gemerkt, dass ich sehr viele ernste Probleme habe. In der Entzugsklinik war ich eben wegen den Drogen. An die bin ich durch Freunde gekommen. In der Geschlossenen war ich, weil ich viele Selbstmordversuche begangen habe. Ich habe mich schlimm selbstverletzt, tief geschnitten … Und Tabletten in Überdosis habe ich auch genommen.

Was ist passiert? Wieso hast du dich verletzt?

Wegen meiner Eltern und den Familienproblemen; wegen zu viel Stress mit Freunden, dem Tod von 2 Freunden von mir, Selbsthass, das Gefühl nicht genug zu sein etc.. – das sind alles Gründe dafür. Mehr möchte ich nicht erzählen.

Hast du dich als Patient und wie in einer Klinik gefühlt, oder eher wie in einem Jugendheim?

Ich habe mich überall wie ein Patient gefühlt. Ausser in der Tagesklinik. Da habe ich mich echt wohl gefühlt, weil ich dort einfach ich selber sein konnte!

Schlussendlich hast Du das Gefühl, dass Dir die Tagesklinik am ehesten geholfen hat? Ja.


Dir geht es auch nicht gut? Du brauchst jemanden zum Reden?


Es gibt viele mögliche Gründe für seelisches Leid von Jugendlichen.

Hier kannst du einen Artikel über Transidentität/Transgender, einen über Depressionen bei Jugendlichen und über Mobbing lesen. Andere ähnliche Artikel findest du auf der erKant-Themenseite >Kopf & Herz oder: Psychologie & Soziales

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